Schluchtensteig, Tag 6: Von Todtmoos nach Wehr
Die letzte Etappe wird gerne unterschätzt – das bekommt man im Laufe so einer Woche schnell mit.
„Da geht’s ja nur noch runter“, hört man.
Weit gefehlt. Zwar sind manche Angaben im Internet völlig gaga, aber auf etwa 500 Höhenmeter im Aufstieg darf man sich trotzdem gefasst machen.
Das liegt im Wesentlichen daran, dass der Weg - ausnahmsweise - eben mal nicht im Schluchtgrund verläuft. Dort unten ist nämlich die Straße. Und aus topografischen Gründen war es offenbar nicht möglich, sich für eine Seite allein zu entscheiden. Also bleibt es dem Wandersmann und seiner treuen Gefährtin nicht erspart, mehrfach seitlich anzusteigen, wieder hinunter zum Schluchtgrund zu gehen, die Straßenseite zu wechseln – um auf der anderen Seite wieder steil hinaufzukraxeln.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass eine Rastbank hie und da eine willkommene Unterbrechung wäre. Doch leider: Auf der ganzen Etappe gibt es genau zwei – eine viel zu früh, die andere fünf Minuten später. Danach: nichts mehr. Nada. Niente.
Und dann wären da noch die Zecken. Man weiß inzwischen recht gut, wie viele Wölfe im Schwarzwald leben (aktuell: 4). Die wirklich relevante Information, nämlich wie viele Zecken, bleibt allerdings unter einem Mantel des Schweigens verborgen.
Irgendwann nur noch genervt vom Abkratzen der kleinen Mistviecher und dem ständigen hoch, wo wir doch eigentlich runter wollen, muss ich leider konstatieren: Diesen Weg würde ich nicht unbedingt nochmal gehen.
Und als Bonus: Wer ganz offiziell bis zum Endpunkt des Schluchtensteigs in Wehr gehen will, darf sich noch ein paar Extrakilometer Asphalt gönnen…
Aber ich will nicht ungerecht sein:
Die Tiefblicke in die Schlucht sind stellenweise beeindruckend, und auch diese Etappe fügt dem Gesamtbild des Schluchtensteigs eine neue Facette hinzu – eine vielleicht etwas kantigere, aber nicht weniger echte.
In Wehr haben wir uns dann von unserem Wanderkumpel Peter verabschiedet, der uns – wie schon die Tage zuvor – irgendwann wieder eingeholt hatte.
Peter, falls du hier vorbeischaust: Meld dich mal!
Danach mit letzter Kraft und glühenden Fußsohlen zu unseren Freunden – wo schon ein wohlverdientes, kühles Bier auf uns gewartet hat.
Nachwort
So, und warum tut man sich das überhaupt an? Und aus welchem wundersamen Grund fährt man dazu in den Schwarzwald, wo die Täler so tief eingeschnitten sind, dass bestenfalls zur Sommersonnwende mal ein Lichtstrahl hinein fällt? So wurde ich sinngemäß neulich mal mit deutlich erkennbarem Kopfschütteln gefragt.
Also:
Grundsätzlich sollte man gerne zu Fuß gehen. Und zwar so gerne, dass einem das Gehen mehr bedeutet als das ankommen. Ist letzteres der Fall, dann suche man sich eine Berg, gehe auf den Gipfel und dann wieder runter. Damit ist jetzt keine Wertung verbunden, das eine kann so erfüllend sein wie das andere und ich gehe ja auch gerne auf einen Gipfel, so ist das nicht.
Dann ist es natürlich wenig hilfreich, wenn man Glückseligkeit nur im Angesicht eines imposanten Bergpanoramas empfindet. Im Mittelgebirge ist das unwahrscheinlich bis ausgeschlossen. Früher hatte ich auch solche Tendenzen, aber inzwischen schaue ich halt dahin, wo es etwas zu sehen gibt. Das befindet sich mitunter am Boden und heißt "Blume". Aber auch der Anblick einer lieblich hügeligen Mittelgebirgslandschaft kann erfüllend sein. Oder Burgruinen, wie man sie häufig im Pfälzer Wald findet, sofern sie nicht überlaufen sind.
Ja, und was findet man im Mittelgebirge häufig, was es vor allem in den Bayerischen Alpen und im angrenzenden Tiroler Raum leider nicht mehr selbstverständlich gibt? Warte... hmmm...: Einsamkeit, Ruhe und Entspannung. Kein Kampf um Parkplätze, kein Wettlauf nach oben, kein Stau auf dem Weg hin und erst recht wieder auf dem Weg zurück. Kaum Kampfradler und nur wenige leistungsorientierte Trailrunner. Und wenn man im Mittelgebirge einen trifft, dann kann es sogar passieren, dass derjenige stehen bleibt und man ein paar Worte wechselt.
Ja, man kann das um München herum auch mal haben, aber es ist eher unwahrscheinlich. Schlechtes Wetter ist hilfreich, sicher ein sehr früher Aufbruch und - falls vorhanden - nicht unbedingt der naheliegenste Weg zum Gipfel. Klar, es gibt Bergregionen, da kann man ein faszinierendes Panorama genießen, hat den Gipfel für sich und kein Parkplatzproblem. Aber das ist halt dann nicht mehr als Tagestour von München aus erreichbar.
Und so schluchtig ist der Schwarzwald übrigens gar nicht. Die weiten Flächen des Hotzenwalds sind eine Wohltat für die Seele. Man muss halt - wie überall - wissen, wo es schön ist. Natürlich, auch im Schwarzwald gibt es schlimme Gegenden, zum Beispiel häßlich verbaute Gipfel (ja Hornisgrinde und Feldberg, ich spreche von euch!) oder total überlaufene Berge (der Belchen). Aber gerade dort gibt es zum Beispiel ein Kleinod von Anstiegsweg - den Weidebuchenweg, den ich nur erwähnen kann, weil das hier sowieso keiner liest, der dort jemals hinkommen würde. Oder meinen Lieblingsgipfel im Schwarzwald, den wenig besuchten, grundentspannten Blößling, der gerade eben so aus dem Wald herausragt und wo man die Seele stundenlang baumeln lassen kann...








